Seien Sie merkwürdig = des Merkens würdig!

Serhan Sidan – Geschäftsführer der Werbeagentur und Ideenschmiede .mattomedia® – hat diese Einstellung offensichtlich voll verinnerlicht. Auf Einladung des Fachverbandes Wasserbett zum öffentlichen Teil der Jahreshauptversammlung am 20. Mai 2017 in Fulda leitete er einen Marketing Workshop und präsentierte sich von Anfang an des Merkens würdig.
Was hatten wir erwartet? Einen typischen Marketingmenschen, so wie man sich diesen eben vorstellt.
Flippiges Äußeres – Sidan erschien klassisch konventionell.
Laute Stimme – Sidan sprach leise.
Komplett von sich überzeugt – Sidan wirkte bescheiden.
Schnelle Lösungen aus dem Hut zaubern – Sidan stellte Rückfragen und die Teilnehmer blieben oft betroffen eine Antwort schuldig.

„Marketing ist das künstliche Herbeiführen dessen, was Sie eigentlich haben sollten“, erklärte Sidan und stellte klar: „Oft wird behauptet, dass Marketing im Grunde Werbung ist. Das ist falsch! Werbung ist nur ein Bestandteil des Marketings und Marketing – das sind Sie selbst! Also: Wer sind Sie? Wofür stehen Sie? Was sagen Sie? Haben Sie überhaupt etwas zu sagen?“

Werbung werde oft als unangenehm empfunden, als gedankliche und psychologische Manipulation. Oft werde etwas aufgeschwatzt oder eingeredet, was nichts mit den subjektiven Bedürfnissen zu tun habe. Menschen würden sich gegenseitig als Objekt betrachten. Eine gegenseitige Ausnutzung sei die natürliche Folge und leider gang und gäbe.
„Authentisches Marketing sieht sein Gegenüber als Subjekt. Wenn Menschen als Menschen wahrgenommen werden, läuft vieles von allein in die richtige Richtung. Auch wenn es sich leicht esoterisch anhört: Was Sie ausstrahlen, ziehen Sie an“, erklärte Sidan.

Er regte die Teilnehmer an, sich Fragen zu stellen:
Will ich dem Kunden nur ein Wasserbett verkaufen, weil ich das Geld für mein Unternehmen brauche, oder will ich dem Kunden bei seinem Problem wirklich helfen? Interessieren mich die Probleme des Kunden überhaupt? Drücke ich ihm ein Produkt auf oder biete ich ihm ein für seine Bedürfnisse passendes Produkt? Bin ich bloß ein Verkäufer oder bin ich Botschafter meiner Idee? Kommuniziere ich das richtig? Arbeite ich oder übe ich meinen Beruf aus? Ist mein Beruf meine Berufung? Wie werde ich von anderen wahrgenommen?

Sidan betonte: Je mehr Ecken und Kanten, je mehr Spezialitäten und Persönlichkeit etwas hat, umso besser kann man damit arbeiten. Unverwechselbar sein, merkwürdig sein, ein Prädikat (z. B. Traumprinz) bekommen – all dies sorge dafür, dass man als Mensch nicht in der Masse untergehe.
Für die Werbung von Produkten gelte: Werbung muss alltagsstörend sein. Nur dann werden Menschen aufmerksam und Aufmerksamkeit ist das Ziel jeder Werbung. Positive Beispiele aus bekannter Werbung seien z. B. die Milka Kuh, der Mais, der in die Dose springt, oder auch Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer. Werbung müsse allerdings nicht zwangsläufig teuer sein. „Eine gute Idee an auffälliger Stelle – wo bisher noch nichts ist – ist oft deutlich günstiger und zudem entschieden auffälliger“, so Sidan.

Ein Beispiel:
Ein Fassadenreiniger stellte bei einem Spaziergang fest, dass in einem Viertel die Fassaden besonders stark verschmutzt waren. Nach einem Gespräch mit den Bewohnern – denen er eine anschließende kostenfreie Reinigung zusicherte – bemalte er die Fassaden großflächig mit seiner Werbung.

Weiteres Beispiel:
Ein Tischler verteilte auf einer öffentlichen Wiese (nach vorheriger Genehmigung) kostenlos seine Parkbänke, auf denen an der Vorderseite sein Logo ins Holz eingelassen war. Alle Frauen, die mit nackten Beinen auf den Bänken gesessen hatten, liefen anschließend mit dem Logo Abdruck auf ihren Beinen durch die Stadt.

Und noch ein Beispiel:
Ein Tierschutzverein wollte auf Missstände im Zoo aufmerksam machen und ließ für einen Glasschaukasten Plakate mit diversen Tieren anfertigen. Die Plakate waren viel zu groß für den Glaskasten und mussten deswegen zerknittert angebracht werden. Die Botschaft – Tiere haben zu wenig Platz im Zoo – war einzigartig einleuchtend.

„Wenn Sie wissen, wer Sie sind, wofür Sie stehen und was Sie kommunizieren möchten, kann eine gute Werbeagentur Ihre Botschaft ins rechte – einzigartige und alltagsstörende – Licht setzen“ so Serhan Sidan. Er erklärte, dass eine Werbeagentur entschieden mehr sei als jemand, der Website, Flyer und Visitenkarten mache. Eine Werbeagentur sei ein Haufen kreativer Köpfe, der jemanden kenne, der etwas gut kann. Das bedeute allerdings nicht, dass das bestehende Netzwerk einer Agentur zur Deckung seiner Kosten immer ganz ausgenutzt werden müsse. Zum Beispiel könne es bei der Arbeit für einen Kunden manchmal unwichtig sein, sich mit tollen Fotos zu beschäftigen, weil anderes Vorrang hat. „Wenn Sie eine Werbeagentur beauftragen, achten Sie auf ganzheitliche Betreuung und splitten Sie die einzelnen Gewerke nicht auf“, riet Sidan den Teilnehmern. „Avisieren Sie Meilensteine, teilen Sie das beabsichtigte Ziel in Etappen auf und zahlen Sie auch nur nach Erreichen der Etappen. Die Motivation bleibt auf diese Weise gleich hoch. So ticken nicht nur Werbeagenturen, so ticken alle Menschen.“
Der Vorteil einer ganzheitlichen Betreuung durch eine Marketingagentur sei neben der Chance – für jedes Gewerk einen Profi zu bekommen – der rote Faden, der sich durch alle Bereiche der Werbung ziehe. Sidan appellierte an die Teilnehmer, den kreativen Schaffensprozess der Profis nicht durch voreilige Einwände zu unterbrechen. „Vertrauen Sie einem Profi, so wie Sie selbst in Ihrem Gebiet vom Kunden auch als Experte wahrgenommen werden wollen“. Seine Werbeagentur unterstütze die Teilnehmer im Rahmen ihrer Beraterfunktion gern bei der Entscheidungsfindung für eine Agentur, wobei natürlich auch seine eigene beauftragt werden könne, so Sidan.

Alltagsstörend und somit merkfähig waren auch Sidan`s abschließende Worte, die nicht als Anweisung, sondern als Einladung verstanden werden sollten:
„Geld wird gern ausgegeben, das ist ein Fakt. Wenn es nicht gern bei Ihnen ausgegeben wird, hat das einen Grund. Finden Sie den Grund heraus. Finden Sie heraus, wer Sie sind und wer Sie sein möchten und lassen Sie irgendwelche Dinge, die man eben so tut. Legen Sie sich fest und fahren Sie Ihren Kurs und lassen Sie sich nicht von Ihrem Kurs abbringen. Wissen Sie, wer Sie sind und Ihnen fehlt womöglich die Fähigkeit, dies visuell in Website, Flyer, Plakat, Video usw. umzusetzen, dann setzen Sie sich vielleicht mit einer Agentur in Verbindung und sagen: Das möchte ich erreichen – schlag mal was vor“.

Fazit: Wer in diesem Vortrag die eine grandiose Idee zur brillanten Marketingstrategie seines Unternehmens erwartete, dessen Erwartungshaltung wurde zum Glück nicht erfüllt. Warum zum Glück?
Weil der Unterschied zwischen einem Bettenverkäufer und einem Schlafexperten auch in einer guten Werbeagentur gilt: Der Kunde ist kein Objekt, sondern ein Mensch mit individuellen Bedürfnissen. Lernen wir den Kunden kennen, präsentieren wir Lösungen statt Produkte zu verkaufen.

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